Süßes vom Schafsberg

Im Som­mer let­zten Jahres kon­nte ich die Bäck­erei Huth aus Lim­burg in mein­er Imk­erei begrüßen. Hier der Bericht zum Besuch:

Süßes vom Schafsberg

Aus der Imk­erei Beck­er kommt in Lim­burg geschleud­ert­er Honig für den echt­en Bäck­er.

Eigentlich wollte Ste­fan Beck­er lediglich dem Schwiegervater mit dessen Ein­tritt in den Ruh­e­s­tand ein sin­nvolles Hob­by zum Zeitvertreib nahe­brin­gen: Bienen hal­ten, Honig schleud­ern. „Aber der hat­te kein Inter­esse daran“, lacht der Lim­burg­er. Ihn selb­st hinge­gen pack­te die Fasz­i­na­tion des Imk­erns. Heute wohnt der haupt­beru­flich als Bauin­ge­nieur Tätige qua­si „Tür an Tür“ mit zehn Bienen­völk­ern, die allein in seinem Garten am Lim­burg­er Schafs­berg leben. Und aus der „Schafs­berg-Imk­erei“ kommt seit kurzem der köstliche Honig, den es beim echt­en Bäck­er zum Früh­stück gibt.

Obwohl es noch immer summt und brummt: Die Honig­pro­duk­tion haben Beck­ers Bienen für 2018 abgeschlossen. „Das Honig-Jahr fängt im März an“, erk­lärt der Fach­mann. „Die erste Blüte, die sagt: ‚Es geht los‘, ist die Sal­wei­de.“ Das sei das Sig­nal für die Köni­gin, zu brüten. Denn das Volk kommt mit etwa 10.000 Bienen aus dem Win­ter. Um den Som­mer­an­fang im Juni sind es 40.000; fast alles Arbeits­bi­enen, neben der einen Köni­gin gibt es nur 200 bis 300 Drohnen. „Und Anfang Juli ist die Linde dann der Nahrungsab­schluss im Bienen- Jahr“, ergänzt Beck­er, der auch staatlich geprüfter Honig-Sachver­ständi­ger ist.

Geschenk

Ersten Kon­takt mit sein­er heuti­gen Lei­den­schaft hat­te der Lim­burg­er durch den Opa sein­er Frau. Der war Imk­er, ihm half er von Zeit zu Zeit. Als er selb­st vor zehn Jahren anf­ing – nach dem gescheit­erten Ver­such, den Schwiegervater für die schwarz-gel­ben, pelzi­gen Tierchen zu begeis­tern –, bekam er ein „Starter-Volk“ von seinem Imk­ervere­in geschenkt. Das Jahr darauf hat­te Beck­er schon acht Völk­er. Heute sind es unge­fähr 70, um die er sich gemein­sam mit einem Mit­siebziger küm­mert, den er als seinen Men­tor beze­ich­net. Die Bienen­stände befind­en sich alle rund um Lim­burg, unge­fähr 40 Kilo Honig pro­duzieren die fleißi­gen Tierchen je Volk. Von Okto­ber bis März wür­den sie im Anschluss etwa die Hälfte dieser Menge als eigene Herb­st- und Win­ter­nahrung ver­brauchen.

„Wür­den“, denn es kommt nicht dazu, da der Imk­er den Bienen den Honig ja im Grunde „weg­n­immt“ und ihnen dafür Zuck­er­wass­er zum Ersatz gibt. Dreivier­tel des Honigs tauscht Beck­er aus. Das nachge­füt­terte Zuck­er­wass­er bauen die Bienen wie selb­stver­ständlich in den Waben ein und leben in der kalten Jahreszeit davon. Im Bienen­stock übri­gens ist von „kalt“ nichts zu spüren: Selb­st bei minus 30 Grad herrschen im Volk stets hochsom­mer­liche 36 Grad plus. Raus in die Natur fliegen die Bienen ab 13, 14 Grad Außen­tem­per­atur.

Nach­frage

Beck­ers Honig ist bis näch­stes Jahr ausverkauft. „Die Nach­frage wurde immer größer, wie ein Schnee­ball“, blickt er auf die ver­gan­genen zehn Jahre zurück. Und dann muss der Imk­er schmun­zeln, als er erläutert, wie vor kurzem sein Kon­takt zur Bäck­erei Huth ent­stand: Eine Tochter des Haus­es sei mit der Schulk­lasse zu ein­er Besich­ti­gung der Bienen­stöcke da gewe­sen. Solche Führun­gen bietet Ste­fan Beck­er regelmäßig für Kindergärten und Schulen an. Daheim erzählte das Mäd­chen dem Vater von dem tollen Honig aus der eige­nen Heimat­stadt und dem inter­es­san­ten Bienen-Lieb­haber beim echt­en Bäck­er sofort; der Wille, Rohstoffe möglichst region­al zu beziehen, herrscht dort ohne­hin vor. So kann sei­ther jed­er, der zum Beispiel im „Café Ungrad“ in Idstein oder dem „Café 364“ am Lim­burg­er Bahn­hof früh­stückt, den köstlichen Natur­bro­tauf­strich genießen. Dabei inter­essiert sich Ste­fan Beck­er für das süße Pro­dukt selb­st gar nicht so sehr: Ihn begeis­terten vor allen Din­gen die Zucht und die Beschäf­ti­gung mit dem Leben im Bienen­volk, nickt er. Er befasst sich inten­siv mit Züch­tun­gen. In seinem Garten unter­halb des St.-Vincenz- Kranken­haus­es zieht er König­in­nen auf. Die reisen zwis­chen­zeitlich auf die Nord­seein­sel Norder­ney und wer­den dort begat­tet. Danach kom­men die beson­deren Bienen zurück nach Lim­burg. Vier bis fünf Jahre lebe eine Köni­gin, die „nor­male“ Honig­bi­ene hinge­gen nur 30 bis 35 Tage, schildert der Imk­er. Nach der Begat­tung bleibt die Bienenköni­gin stets im Stock und sorgt für den Fortbe­stand des Volkes.

Nord­see­wass­er

Norder­ney? „Ja“, lacht Ste­fan Beck­er. „Auf den ost­friesis­chen Inseln ste­hen Völk­er mit bekan­nter Genetik.“ Deren Drohnen wäh­le man bewusst zur Begat­tung der König­in­nen. Bei einem Flu­gra­dius von unge­fähr drei Kilo­me­tern sei durch das Nord­see­wass­er ring­sum gewährleis­tet, dass sich die Völk­er von Norder­ney nicht mit anderen vom Fes­t­land ver­mis­chen. Der „Schafs­berg-Imk­er“ gerät leicht ins Schwär­men, wenn er davon erzählt, wie ein Volk intern funk­tion­iert. Etwa, dass es 21 Tage dauere, bis aus dem von der Köni­gin gelegten Ei eine Biene schlüpfe. Davon, dass sie nun ger­ade Win­ter­bi­enen lege, die anders als die Honig­bi­enen den ganzen Win­ter über­leben und die Köni­gin während­dessen schützen. Oder dass seine Tiere am Son­nen­stand erken­nen, wann sie den Win­ter vor­bere­it­en müssen. Mit der Tätigkeit als Bienen­züchter ver­fol­gt Ste­fan Beck­er zwei Hauptziele, wie er her­vorhebt. Zum einen träumt er, wie wohl viele Imk­er, davon, dass er eines Tages Bienen hat, die völ­lig resistent gegen die Var­roamilbe sind, die von ein­er Rei­he Wis­senschaftlern mit dem Bienen­ster­ben in Verbindung gebracht wird. „Ich will den Leuten aber auch die Angst vor Bienen nehmen“, fügt er hinzu. Ziel der Züch­tun­gen sei es also zudem, die Bienen immer san­ft­mütiger zu bekom­men.

Wobei: Die Biene der Rasse Car­ni­ca, die in Beck­ers Stöck­en lebt und arbeit­et, sei ohne­hin „auf San­ft­mut getestet“ und beson­ders friedlich. Wahrlich: Man kann in Ste­fan Beck­ers Garten an der Annas­traße über Stun­den völ­lig uneingeschränkt sitzen oder umher­laufen – trotz der vie­len tausend „Flug­be­we­gun­gen“ vom und zum jew­eili­gen Bienen­stock der zehn Völk­er. Mehr noch: Wenn der Imk­er die grü­nen Holzk­isten öffnet, um dem neugieri­gen Besuch­er etwas vom Innen­leben im Bienen­volk zu zeigen, trägt er dabei nicht ein­mal die „typ­is­che“ Schutzk­lei­dung. Kein Hut, kein Netz. Nur einen „Smok­er“ hat er zum Qual­men gebracht. Der Rauch sig­nal­isiert den Tieren „Feuer in der Hütte“, wie Beck­er scherzt. Daraufhin küm­mern sich alle um die eigene Bleibe und Arbeitsstätte samt Nahrungsvor­rat und noch weniger als son­st um neugierige Men­schen.

Köni­gin

„Da ist die Köni­gin“, ruft Ste­fan Beck­er, als er eine Wabe her­auszieht. Ein Insekt, das deut­lich größer ist als alle anderen und zudem einen far­bigen Punkt mit ein­er Zif­fer darauf auf dem Rück­en trägt, ist deut­lich zu sehen. Anhand der Markierung weiß der Züchter, um welche Köni­gin es sich han­delt. „Wie Wein“ sei Honig, führt der Lim­burg­er Imk­er abschließend noch aus, in sein­er geschmack­lichen Vielfalt, den unter­schiedlichen Qual­itäten oder Jahrgän­gen. „Beim Honigkon­sum sind die Deutschen europaweit führend“, sagt er. Die deutschen Imk­er allein kön­nten den Bedarf gar nicht mehr deck­en, nur etwa 25 Prozent stam­men aus dem Inland. „Den Leuten ist klar gewor­den, dass der Kauf deutschen Honigs auch einen ökol­o­gis­chen Wert hat“, meint Ste­fan Beck­er zur Ursache.

Denn Imk­er wür­den wichtiger, da Naturin­sek­ten immer sel­tener wer­den. So ist der Honig, über den sich die Kun­den des echt­en Bäck­ers freuen kön­nen, sowohl ein regionales als auch wertvolles – aber vor allen Din­gen köstlich­es – Erzeug­nis aus dem Lim­burg­er Beck­en. Einige sein­er Bienen hat Ste­fan Beck­er übri­gens am Feld von Stef­fen Heck­el­mann ste­hen. Dort bestäuben sie Kür­bisse des Land­wirts aus Mensfelden , aus denen wiederum die Kür­biskerne gewon­nen wer­den („Zeit für Brot“ berichtete), die in der Bäck­erei Huth für Back­waren wir das neue Ur-Korn-Bio-Weck ver­wen­det wer­den!

Text aus Zeit für Brot – Uwe Schmalen­bach